Hoitlingen 6. bis 8. Jahrhundert (?) —Wendische Reste in der Gemarkung Hoitlingen
Der Ortsname Hoitlingen, um 1510 erstmals als Hoetlinge, dann 1536 als Hetlingen und 1539 als Hoetling belegt, ist bisher nicht sicher erklärt. Dies besagt, daß er von der deutschen Sprache her nicht einleuchtend gedeutet werden kann, weil das Dorf ja im Vorsfelder Werder von ehemals wendisch redenden Menschen gegründet wurde. Mithin müssen wir den Namen vom Slawischen her untersuchen. Hierzu liefert uns der Flurname Jatey-Feld in Siemen (bei Dannenberg) einen Anhalt; denn dieses Wort gehört höchstwahrscheinlich zu altslowen. gaff, russ. gat Damm, neuslowen. gat Kanal, obersorb. hat Teich und hat u. a. folgende Ortsnamen erzeugt: poln. Gatno, tsch. Z hati, obersorb. Hatk. Uns räumlich und sprachlich am nächsten liegen die obersorbischen Formen hat Teich und Hatk „Ort am Teich". Hiervon läßt sich ein entsprechendes altslawisches Wort Gatkije (Collectivum) oder polabisches Wort Hatniki (personaler Plural) ableiten; beide Formen bedeuten „Leute am Damm oder Teich". Dieser Wortsinn paßt genau in die landschaftliche Lage des Dorfes Hoitlingen: Noch die Drömlingskarte Samuel Walthers von 1737 zeigt einen Teich an der du-Mühle, der Hoitlinger Mühle. Dieser ziemlich große Teich war durch Anstau der Du, wie die Kleine Aller etwa bis zu diesem Punkte hieß, geschaffen worden. Der Stau erforderte den Aufwurf eines Dammes, der in Verbindung mit einer Bachbrücke an der Mühle es zugleich erleichterte, die Talniederung mit Fahrzeugen oder anders zu überqueren. Von diesen besonderen Dingen her ist der Ortsname Hoitling(en) vermutlich entstanden. Als der Bach im 19. Jahrhundert reguliert wurde, verschwand der Du-Mühlen-Teich; er wurde vielleicht sogar mit überschüssiger Damm-Erde bis auf den Wasserlauf zugeschüttet. Die scheindeutsche Endung ling(en) hat während der Germanisierung des Landstrichs im Hochmittelalter denselben. Wandel erfahren, wie z. B. aus dem als slawisch erkennbaren Wort Thriminig (nach 1150) am Ende der scheindeutsche Landschaftsname Drömling wurde. Bisherige Bearbeiter haben die Endungen -ling und auch -ing unbesehen als uralt und auf jeden Fall germanisch erachtet. Diese Leichtfertigkeit darf für den kolonialen Raum nicht gelten; denn hier sind gerade bei der Weiterbildung der wichtigen Orts- und Landschaftsnamen die slawischen Endungen -ik (umgeschrieben zu -ig oder igk) zu scheindeutsch -ing(e) und -nik(i) zu scheindeutsch -ling(en) verwandelt worden. Dies wird zumal durch die leichte Austauschbarkeit von -n- und -1-, die ihre Stimmhaftigkeit und ihren dentalen Artikulationsort gemeinsam haben und sich nur durch Nasalität und Liquidität unterscheiden, im Munde des Volkes begünstigt. So wurde außer dem Drömlings-Beispiel aus Boitznigk erst ein Boitzinghe, dann sogar mit neuer Endung ein Boitzenhagen oder aus Witik oder Witniki ein Wieting, später Wittingen. Bei kolonialen -ing= und -ling=Namen handelt es sich also jeweils um die Anpassung einer ähnlich lautenden slawischen an eine lange vorhandene und im alt-deutschen Raum gebräuchliche Endung. So offenbar auch beim Ortsnamen Hoetlinge oder Hoetling, der heute noch volkstümlich Hautlink lautet. Die frühen Hoitlinger waren daher die-„Leute am Teichdamm". —
Text aus dem Buch
Das Land Brome und der obere Vorsfelder Werder
Mit freundlicher Genehmigung von
Herrn Dr. Johann Dietrich Bödeker
Hier zu sehen bei der Signierung meines Buches
am 19.09.2018
Leider verstarb Herr D. Bödeker am 30. April 2021